Auch wenn es sportlich alles andere als rosig aussieht, es ist gut zu wissen, daß Vereinsdemokratie mit allen Kontroversen noch so gut funktioniert. Dynamo Dresden befindet sich aber weiterhin in ziemlich stürmischen Gewässern mit vielen Unwägbarkeiten. Die Blicke der fast 25.000 Köpfe zählenden Vereinsmannschaft gehen zwar skeptisch in Richtung Kapitän und Steuermann, vertrauen aber dem Großteil der Offizierscrew. Gut, wir sind nicht Hansa Rostock und befinden uns auf keiner Kogge, aber diese maritime Metapher passt trotzdem ganz gut zur vergangenen Mitgliederversammlung.
Rund 750 Mitglieder waren im ICC anwesend. Eine illustre Mischung aus Spannung und Entspanntheit, Klassentreffen und Klassenkampf, Schaulaufen und einfach nur Dabeisein, kurzum: Vertraute typische Dynamo-MV-Atmosphäre. Eingeschlafene Gesichter gab es höchstens beim Blick auf die Getränkepreise im ICC. Was aber dem erfahrenen Dynamomitglied mittlerweile nix neues mehr ist und die Survivalstrategie deshalb schon seit Jahren aufs zuverlässige UD Mobil und eigene Depots ausgerichtet ist. Die Presse saß nach dem letzten Ausschluß „auf Bewährung“ mit im Saal. Da nach erfolgter Presseschau mindestens einer der Bleistift- und Tastaturakrobaten den Ernst der Lage immer noch nicht verstanden hat, liegt die Hand des Bewährungshelfers bereits an der Roten Karte.
Im Punkt 1 wurden die Beitritte zu zwei Körperschaften im Rahmen einer Außerordentlichen Mitgliederversammlung behandelt. Der Beitritt zur Dixie-Dörner-Stiftung bekam eine beindruckende Einstimmigkeit, weil Ehrensache und aus dem Verein heraus geboren, Teamsport Sachsen erhielt eine größere Mehrheit an Ablehnung als es an Zustimmung bedurft hatte. Nicht nur die schlechte Vorbereitung in der Vorstandsetage, auch das Grundansinnen des Vereins, einige vakante Mitstreiter und Agierende mit denen man nicht viel Gemeinsamkeiten hat, sowie drohende finanzielle Untiefen im Satzungswerk dieses Vereins ließen den mündigen Vereinsmitgliedern keine Chance, als für Dynamo als den mitgliedsstärksten Verein in Sachsen dieses Kapitel gleich wieder zu beenden. Im besten Fall landet Teamsport Sachsen gleich wieder auf der Müllhalde der sächsischen SportPOLITIK. Stattdessen starteten die Ultras Dynamo eine Spontanspendenaktion zum avisierten Rückkauf des Fanshops, was zum Schluß der Veranstaltung sensationelle gut 1.600 Euro einbrachte. Tja-auch so und vor allem so geht sächsisch!…
Die Jahreshauptversammlung wurde vom Präsidenten und Versammlungsleiter Holger Scholze eröffnet moderiert. Mit der Erkrankung vom kaufmännischen Geschäftsführer fehlte eine der beiden absehbaren Reizfiguren dieser MV für die von der Mitgliedschaft geforderte „Tacheles-Rede“. Immerhin ist die Jahreshauptversammlung die einzige Möglichkeit für jedes Mitglied, einmal im Jahr Rechenschaft vom Vorstand einzufordern. Dazwischen ist dies nur dem Aufsichtsrat möglich, der in dieser MV auch zu diesem Zweck für 3 Jahre gewählt werden soll. Zum Anfang einer Mitgliederversammlung ist es guter Brauch, die erste Mannschaft samt Trainer zu präsentieren, angesichts des Wüsten-WM bedingten frühen Urlaubes der Profis und sicher auch der sehr durchwachsenen Saisonleistung unter allen Erwartungen war es schlicht gutes timing, daß es in diesem Jahr so nicht der Fall war. Bloß gut, daß es außerhalb der Profis auch noch Fußball im Verein gibt und zwar sehr erfolgreichen. Die U19 Junioren stehen derzeit auf einem sensationellen Rang 2 der Bundesliga und hatten es sich redlich verdient, von den anwesenden Mitgliedern frenetisch mit standing ovations gefeiert zu werden. Das kam allseits von Herzen, machte stolz auf die jungen Kämpfer in unseren Farben und auch auf eine jahrelange ausgezeichnete Jugendarbeit. Wir hoffen, daß dem einen oder anderen Nachwuchskicker ebenso ein Gänsehautgefühl überkam, das würde beweisen, daß dort sehr viel Dynamogene vorhanden sind. Solche Momente sind im Vereinsleben unersetzlich. Danke dafür.
Auf die Berichte der Gremien wollen wir an dieser Stelle verzichten, dies wurde sicher in den einschlägigen Medien behandelt, den kaufmännischen Part übernahm unser bestellter Wirtschaftsprüfer in eindrucksvoller, professioneller Manier. Wir stehen wirtschaftlich gut da, haben einen sehr treuen und loyalen Kreis von Sponsoren aber Unsicherheiten bei den coronabedingten Entschädigungen. Kommunalpolitische Torpedierung des Betriebskostenzuschusses, vor allem aber ausbleibender sportlicher Erfolg könnten diese Situation mittelfristig rapide dramatisieren. Hier ist vor allem die sportliche Leitung gefragt, welche deshalb zur MV auch seitens der Mitgliedschaft heftig attackiert wurde. Ralf Becker bewahrte zwar die Contenance, offenbarte aber auch – speziell auf avisierten Frauenfußball – ein ganz eigenes Verständnis von unserer Satzung. Dem neuen Aufsichtsrat bleibt es vorbehalten, hier dem sportlichen Geschäftsührer klare Vorgaben zu machen, klare sportliche Prioritäten zu setzen und kurzfristig Erfolge einzufahren. Bei Ralf Minge wurde an dieser Stelle, an welcher sich Ralf Becker fast schon befindet, trotz Idolstatus, die Reißleine gezogen. Ungeachtet dessen wurde Ralf Becker für die vergangene Saison Entlastung erteilt. Die Entlastung von Jürgen Wehlend wurde, wegen krankheitsbedingt nicht persönlich abgelegter Rechenschaft vor den Mitgliedern, vertagt. Angesichts der trotzdem guten Zahlen sollte diese jedoch zur nächsten MV reine Formsache sein.
Zur Aufsichtsratswahl für die 6 Gremienplätze stellten sich 14 Kandidaten und eine Kandidatin, die Vorstellung erfolgte bereits im Vorfeld während zweier Mitgliederstammtische. Wundersamerweise gab es keine Rückfragen an die Kandidaten und die Kandidatin. So wurde gleich zur Wahlhandlung geschritten. An dieser Stelle unser herzlicher Dank an die wie immer souverän agierende Wahlkommission.
Im Normalfall folgt dann ein Konvult aus Satzungsänderungs- und sonstigen Anträgen, in diesem Fall waren es nur deren zwei. Der Fanshopbetreiber in persona der mit Dynamomitgliedschaft ausgestatteten Verantwortlichen beantragte eine Nuancierung der Satzung, sodaß der Ausrüster bei der Gestaltung des von ihm zu verantworteten Merchandising erhält. Angesichts einiger Design-Entgleisungen in der Vergangenheit, einer „Atmosphäre“ fundamentaler Vereinsidentität im Saal und damit relativer Chancenlosigkeit des Unterfangens, wurde nach emotionaler Debatte der Antrag zurückgezogen. Unserem Antrag auf Neuausrichtung des SGD Preises war nach ebenso leidenschaftlicher aber fairer Debatte ebenfalls kein Erfolg vergönnt. Ein deutlicher Teil der noch im Saal verbliebenen knapp 400 Mitglieder stimmte dagegen.
Zum Schluß wurden die neuen Aufsichtsräte verkündet. Es gab nur einen Personenaustausch und mit dieser Besetzung erhoffen wir uns die entsprechende Frische, besonders was die Kommunikation auf kommunalpolitischer Ebene betrifft. Dort wurde leider in den letzten Jahren einiges an bis dahin mühsam aufgebauten guten Verbindungen einem stiefmütterlichen Dasein überlassen, was uns nun auf die Füße fallen könnte. Handelt es sich doch um nichts weniger als den existenziell wichtigen Betriebskostenzuschuß, der aktuell besonders von der Speerspitze der grünen Dynamo-Allergiker Torsten Schulze torpediert wird.
Bleibt zu konstatieren, daß unser Verein mit all seiner Vielfalt und Auslebung von Basisdemokratie putzmunter und vielleicht auch wieder etwas näher aneinander gerutscht ist. Erste Themen für das kommende Jahr sind bereits gesetzt. Rückkauf des Fanshops und Frauenfußball im Verein bieten bereits wieder ein sehr hohes Potential für leidenschaftliche Debatten. In der Hoffnung, daß die MV in einem Jahr wieder so durchgeführt werden kann und nicht anderweitig Ungemach droht, fiebern wir dem bereits jetzt schon entgegen, wenn es dann wieder heißt: Alle Jahre wieder.