Ein Sonnabend im November im Kongreßzentrum am Elbufer Dresdens: Alljährlich treffen sich dort zwischen 750 und 1.000 (das sind 3-5 % der) Vereinsmitglieder der SG Dynamo Dresden e.V. zur Mitgliederversammlung, um über Personen und Sachen, Rückblicke und Ausblicke und die Definition von Triumph und Tränen zu debattieren und das Regelwerk des Vereins – die Vereinssatzung – fortzuschreiben. Die Mitgliederversammlung ist das oberste Organ des Vereins. Es treffen Eloquenz auf Prolligkeit, Bodenstand auf Selbstdarstellung, Tradition auf Wokeismus, alt auf jung. Kurzum, für den Genießer von Basisdemokratie und emotionalen Diskussionen schlichtweg DAS Popcorn-Ereignis des Jahres.
Am 26.11. ist es nun wieder so weit. Nach drei Jahren erkältungspolitischer Abstinenz vom regulären Prozedere steht einiges auf der Tagesordnung, was wir unseren geneigten Lesern vor dem gelebten Hintergrund 30-40 jährigem Dynamodaseins unserer Initiativmitglieder nahebringen möchten. Eine Wahlempfehlung für den Aufsichtsrat hatten wir ja vor wenigen Tagen an dieser Stelle schon ausgesprochen.
Los geht´s mit einer vorgelagerten außerordentlichen Mitgliederversammlung. Diese ist – sofern nicht von den Mitgliedern mit dem entsprechenden Quorum selbst begehrt – meist notwendig, wenn es darum geht, daß der Verein seinen Zweck ändern oder sich selbst auflösen will, beabsichtigt eine eigene Körperschaft zu gründen, zu fusionieren oder selbst Mitglied in einer Gesellschaft, Körperschaft, Stiftung oder einem Verband werden will. Dazu muß dies im Rahmen einer AOMV geschehen und mindestens 80 % der Anwesenden für den gestellten Antrag stimmen. Es steht die Beteiligung an der Dixie Dörner Stiftung und der Beitritt zum Verein Teamsport Sachsen e.V. zur Abstimmung. Die Dixie Dörner Stiftung ist die zu Ehren unseres Ehrenspielführers umbenannte Stiftung Fußballnachwuchs Dresden, welche 2008 von den Freunden von Pro RHS gegründet wurde und den Nachwuchsfußball der Region mit fördert. Den Grundstock der Stiftung legte damals der Verkauf von Inventar und Reliqiuen aus dem alten Dynamostadion sowie diverser Auktionen. Dynamo begleitet die Stiftung seit deren Gründung. Mit dem Beitritt des Vereins soll die Stiftung aktiviert werden, weitere Zustiftungen vereinfacht und natürlich in diesem Sinn unserem Dixie alle Ehre gemacht werden. Viel weniger als 100 % Zustimmung zum Antrag wäre eine Enttäuschung.
Schwieriger wird es mit Beitrittsantrag Nummer 2. Teamsport Sachsen e.V., als Initiativzusammenschluß der Spitzenball- und Kufensportvereine in Sachsen, iniziiert in Aue, getragen von allen relevanten Ball- und Eissportvereinen von Dynamo bis zu den DSC Volleyballerinnen, vom DHFK bis RB Leipzig, vom ETC Crimmitschau bis Fortschritt Bischofswerda. Ursprünglich aus der Not des Zuschauerverbotes zu Beginn der harten Corona Lockdown Maßnahmen und des zwangsweisen Einstellens des Spiel- und Trainingsbetriebes gegründet, um zusammen gegen repressive Politik und auf der Suche nach Alternativen vorzugehen. Soweit, so gut, so ehrenhaft, aber auch nur – mild umschrieben – mäßig erfolgreich. Der Ursprungszweck entfällt mittlerweile, man will die Konstruktion aber nicht aufgeben und sucht sich neue Ziele und gründet einen Verein. Damit wird die Beteiligung von Dynamo zustimmungspflichtig durch die Mitgliedschaft. Und diese ist berühmt dafür, vieles zu hinterfragen. Prinzipiell ist solch ein gemeinsames Sprachrohr ja zu begrüßen. Nur, was sollte Teamsport Sachsen anders machen als der zentrale Dachverband der Sportvereine in welchem bereits alle organisiert sind – der Landessportbund Sachsen? Und was vertreten eigentlich die Fachverbände der Sportarten wie Sächsischer Fußballverband, der Sächsische Sportverband Volleyball, der Sächsische Eissportverband und der Handballverband Sachsen? Brauchen wir noch eine institutionelle Konstruktion, welche mit Mitgliedsbeiträgen gefüttert wird, um Werbeagenturen zu beschäftigen, welche Marketingkampagnen fahren und Sponsorengelder wie z.B. von Sachsenlotto, ohnehin gedacht fürs Gemeinwesen, quer abgreift um diese eher selbstlegitimierend an seine Mitglieder verteilt? Jeder Verein betreibt eine eigene Marketingabteilung, es gibt keinen Grund, hier einen zentralen Verein mit solcherart Handlungsfeldern dazwischen zu schieben. Ein gemeinsames Vorgehen von Sportvereinen mit ähnlichen Problemen ist lobenswert, eine Institutionalisierung eines neuen übergeordneten Konstrukts hingegen ist mindestens zu hinterfragen. Auch in Aue, Zwickau und Chemnitz gibt es Bedenken in der Fanszene hinsichtlich dieses Engagements. Stimmt Sachsens größter Sportverein – die SGD – dem nicht zu, ist es fraglich, ob TeamSport Sachsen seinen nunmehr eingeschlagenen Weg weitergehen kann und wird. Zur Vorhaltung für Krisenzeiten ist solch eine Konstruktion eher untauglich, zur Interessenvertretung gibt es bereits Vereinigungen in welchen wir Mitglied sind. Abstimmungsempfehlung: Ablehnung.
In der Hauptversammlung wird neben der Entgegenname der Berichte aus den Gremien und der Wahl der neuen Aufsichtsräte über eingereichte Anträge abgestimmt. Die Entlastungsanträge sind obligatorisch und denen wird in der Regel auch zugestimmt. Auch wenn die Mannschaft grottigen mäßig erfolgreichen Fußball abliefert, dies ist kein Versagungsgrund zur Entlastung. In der Ära Maas, Hendel, Mulansky gab es letztmalig derart gravierende Verstöße, daß die Entlastung einstweilen verwehrt wurde. Was trotzdem ohne Konsequenzen blieb. Insofern sollte die Zustimmung zur Entlastung aller Gremien in diesem Jahr reine Formsache sein.
Zur Änderung der Satzung steht in diesem Jahr nur ein Antrag auf der Tagesordnung. Das sieht zwar nach einer Formsache aus, könnte es aber in sich haben. Nach den Farbspielereien des Fanshops bem Teamwear wurde die Satzung bezüglich der Vorgaben zur Farbgebung und Logogestaltung durch den jeweils offiziellen Ausrüster klar und teils restriktiv definiert. Der Antrag zielt auf eine Lockerung der Vorgaben außerhalb der offiziellen Teambekleidung. Einen pauschalen Vorschlag zum Abstimmungsverhalten können wir nicht unterbreiten, dazu wird es in der Versammlung selbst sicher noch einige Rückfragen geben. Wenn sichergestellt ist, daß farbliche Abartigkeiten, welche unsere Vereinsfarben und das Wappen entstellt wirken lassen, weiter verhindert werden kann, sollte dazu in der MV auch ein guter Kompromiß gefunden werden.
Schlußendlich steht der Antrag zur Neuausrichtung und den Vergabemodalitäten des mittlerweile seit 2012 vergebenen SGD Preises. Die Preisträger und Vergabemodalitäten sind auf der Internetpräsenz unseres Vereins einsehbar. Ziel des Antrages ist es zu aller erst, die Mitgliedschaft in ihrer Gesamtheit selbst in die Entscheidungsfindung über den Preisträger mit einzubinden und auch die bisherige Wortspielerei mit unserem Vereinskürzel zu entflechten. SGD heißt SPORTGEMEINSCHAFT DYNAMO- PUNKT. Besonders die letzten Jahre haben gezeigt, daß Diskriminierung quer durch alle Schichten und gegen alle möglichen Personengruppen erfolgen kann und es zur gesellschaftspolitischen Frage wird, wer Diskriminierung als solche im Einzelfall definiert und die Deutungshoheit für sich beansprucht. Dies bedeutet ausdrücklich nicht, daß Vereine, welche sich z.B. stark um Integration und gegen Diskriminierung bemühen, künftig nicht zum Kreis der Preisträger gehören können. Aber es gilt, weitere Themenfelder sozialen, caritativen, sportlichen Engagements regional zu berücksichtigen. Das Leitbild der SGD sieht deshalb vor, Dinge im Verein GEMEINSAM weiter zu entwickeln. Dies ist eine Chance, genau das zu tun. Der Vorteil des neuen Auswahl- und Entscheidungverfahrens ist auch, daß bereits alle Kandidaten während des Auswahlverfahrens eine größere Öffentlichkeit für ihr Anliegen oder ein Projekt erhalten. Egal ob im Bereich der Flüchtlingshilfe, Engagement für krebskranke Kinder oder außerordentliches breitensportliches Engagement. Bei 25.000 Vereinsmitgliedern ist es zudem nicht unwahrscheinlich, daß die eine oder andere Bewerbergruppe durchaus nur durch die Kandidatur und damit Kenntnisnahme durch die Dynamomitglieder Mitstreiter oder andere Hilfen gewinnen können. Daß der Preisträger dann durch das oberste Organ des Vereins auserwählt und legitimiert wird und die Kürung zum jährlichen Vereinsjubiläum erfolgt, gibt dem SGD Preis und damit auch der öffentlichen Darstellung unseres sozialen Engagements sogar noch etwas mehr Gewicht. Bildet das Votum doch auch den Querschnitt der Vereinsmitglieder mittels einer basisdemokratischen Entscheidung ab. Der SGD Preis ist zu wichtig, um allein in den Hinterzimmern der Sozialarbeit im Umfeld von Dynamo entschieden zu werden. Wo SGD drauf steht, sollte auch die Gesamtheit der SGD drin sein. Insofern sollte eine Zustimmung zum Antrag Ehrensache sein.