Ralf Minge – zum 65.
Ralf „Mingus“ Minge ein Rentner? Ein unglaublicher Gedankenspagat. Für alle Dynamos eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Und doch ist heute sein 65. Ehrentag – wobei wir alle wissen: Der Automatismus, in dem Alter in Rente zu gehen, existiert schon lange nicht mehr. Die einen wollen, die anderen können nicht. Bei Ralf Minge ist es wohl das Erstere und so macht er einfach beides. Geht nicht, gibt´s nicht bei ihm. Wahrscheinlich „feiert“ er heute in seinem Büro im Heinz-Steyer-Stadion und nicht auf einem gemütlichen Vierseitenhof in der Nähe von Dresden oder seinem kleinen Häuschen an der Ostsee.

Welches Bild hat man vor Augen, wenn man an Mingus denkt? Den dreckverschmierten Kämpfer nach einem Spiel, vorzugsweise mit einem Pokal in der Hand? Oder den „Paten“ mit der berühmten Jeansjacke vor dem „K“? Oder den Manager im Kreise von Oberbürgermeistern und Ministerpräsidenten? Für einige sicher auch den väterlichen Freund. Eigentlich alle – denn er kann alles. Aus ehrlicher Überzeugung.
Geboren in Prösen bei Elsterwerda, wurde Ralf Minge in den 1980ern zu einer Ikone des Dresdner und ostdeutschen Fußballs. Mit einer Körpergröße von 1,86 Metern avancierte er zu einem der erfolgreichsten Torschützen der DDR-Oberliga und wurde fast nahtlos anschließend zu einem gefragten Trainer und Manager.
1972 wechselte er aus Prösen in den Nachwuchs der TSG Gröditz, wo er dank seines Talents rasch aufstieg und bereits als 17-Jähriger in der DDR-Liga für Gröditz debütierte. Dies blieb auch in der damaligen Bezirkshauptstadt Dresden nicht unbemerkt – sein Wechsel zu Dynamo erfolgte im Sommer 1980. Eine Verbindung, die sein Leben nachhaltig prägen sollte.
Beachtenswert ist hierbei auch, dass er nicht den klassischen Weg über die KJS (Kinder- und Jugendsportschule) wählte, sondern sich seinen Aufstieg in den Leistungssport selbst erkämpfen musste.
Bei Dynamo etablierte er sich rasch als Stammspieler. Gleich bei seinem Oberliga-Debüt am 25. Oktober 1980 gegen Chemie Böhlen netzte er als Einwechselspieler ein. Er füllte die Rolle des klassischen Mittelstürmers perfekt aus und wurde fünfmal in Folge bester Vereinstorschütze. Insgesamt absolvierte er 222 Oberligaspiele mit 103 Toren – Platz 3 in der ewigen Torschützenliste des Vereins hinter Hans-Jürgen Kreische und Torsten Gütschow – sowie 34 Europapokalspiele mit neun Treffern.
Dazu gewann er mit Dynamo den FDGB-Pokal in den Jahren 1982 (legendär nach Elfmeterschießen gegen den BFC Dynamo), 1984, 1985 und 1990. 1988/89 und 1989/90 wurde er fast in Serie DDR-Meister.
Auch für die Nationalmannschaft der DDR kann er auf 36 Einsätze verweisen. Allerdings verhinderte der Boykott sozialistischer Länder die Teilnahme an den Olympischen Spielen 1984 in Los Angeles.
Nach dem Ende seiner Spielerlaufbahn stieg Mingus ins Traineramt ein. 1992 übernahm er die zweite Mannschaft von Dynamo Dresden, war Co-Trainer der Profis unter Klaus Sammer und von April bis Juni 1993 interimsmäßig Cheftrainer. 1995 kehrte er als Cheftrainer zurück, konnte den Abstieg aber nicht abwenden und wurde entlassen. Seine Laufbahn führte ihn anschließend bundesweit – unter anderem zum FC Erzgebirge Aue und als Co-Trainer zu Fortuna Köln unter Toni Schumacher.
Von 2000 bis 2005 sowie 2012 bis 2014 arbeitete er bei Bayer 04 Leverkusen: als Trainer der Amateure und als Co-Trainer der Profis unter Klaus Toppmöller – unter anderem im DFB-Pokalfinale und Champions-League-Finale 2002. Ab der Saison 2010/11 trainierte er außerdem die deutsche U20-Nationalmannschaft.
Mit Dynamo und Dresden blieb er trotz dieser „Abstecher“ stets eng verbunden. Minges größte Wirkung entfaltete sich als Geschäftsführer von Dynamo Dresden. Zunächst wurde er im September 2006 in den Aufsichtsrat gewählt, ab 2007 führte er den Verein als Sportdirektor.
Legendär ist seine Ablehnung der für den Verein bis heute schädlichen Stadionverträge, die er aus Gewissensgründen nicht mittrug – und dafür seinen Posten aufgab.
2014 kehrte er auf Wunsch vieler Mitglieder und Fans zurück und verlängerte seinen Vertrag mehrfach bis 2020. In dieser Phase stabilisierte er den Verein, sorgte gemeinsam mit den Mitgliedern für wirtschaftliche Konsolidierung sowie Schuldenfreiheit – und förderte intensiv den Nachwuchs.
Sportliche Auf- und Abstiege der 1. Mannschaft prägten diese Zeit. Doch es gelang stets, die Herausforderungen zu meistern und Abstiege nicht zum wirtschaftlichen Desaster werden zu lassen – dank klugem Management. Das vereinsintern sehr umstrittene „Auslaufen“ seines Vertrages als Geschäftsführer mündete in eine hochemotionale Verabschiedung: Über 5.000 Fans feierten den „ewigen Dresdner“ mit Choreografien und Gesängen.
Nach einer kurzen Zeit als Sportdirektor des Halleschen FC arbeitet er heute sehr erfolgreich als leitender Mitarbeiter in der Stadtverwaltung Dresden – als Manager des Sportparks Ostra. Seine Aufgabe: die Weiterentwicklung dieses einmaligen Sportareals. Das jüngste Highlight: die Eröffnung des grundlegend renovierten Heinz-Steyer-Stadions als Multifunktionsarena.
Ehrenamtlich ist Ralf Minge als langjähriger Freund und ehemaliger Mannschaftskollege Dixie Dörners Vorsitzender des Stiftungsrates der gleichnamigen Stiftung und vertritt dort die Familie Dörner. Die Stiftung hat sich die Aufgabe gesetzt, aktiv über die Förderung von Kindern und Jugendlichen im Sport, der Bildung und im sozialen Vereich das Andenken an die Dresdner Fußballlegende Hans-Jürgen „Dixie“ Dörner zu bewahren. Eine Aufgabe, welche auch ganz in seinem Sinne ist.
Privat lebt er zurückhaltend und fernab des Rampenlichts. Er schätzt die kostbaren Momente mit seinen Kindern und Enkelkindern inmitten einer ländlichen Idylle inklusive allerlei Schafen, Ziegen und natürlich Hunden. Und er steht an der Seitenlinie, wenn seine Enkel ihrem Opa nacheifern und selbst an den Ball treten. Sein Sohn trat in seine Fußstapfen und ist heute Trainer beim SG Motor Wilsdruff in der Landesklasse ehrenamtlich tätig.
Ralf Minges Vermächtnis ist untrennbar mit Dynamo Dresden verknüpft: Als Spieler, Trainer und Manager war er Vorbild für Generationen von Sportlern und Fans. Er symbolisiert den Übergang vom DDR-Fußball in die Bundesliga-Ära – mit all ihren Erfolgen und niederschmetternden Erfahrungen.
Seine Geschichte ist eine der Treue, der Leidenschaft und des Erfolgs – zu Dynamo und zu Dresden – auch in schwierigen Zeiten.
Die IG SGD wünscht Dir alles Gute, bleib gesund, authentisch und komm gern mal wieder öfters ins Stadion.