Der seit einigen Jahren über den Atlantik hereinschwappenden Trend-Unsitte folgend, werden auch wir im tiefsten Sachsen zum amerikanischen Erntedank (Thanksgiving), meist um die Tage unseres Gedenktages für unsere Verstorbenen (Totensonntag), von der sogenannten Schwarzen Woche (Black Week) heimgesucht. Die vereinigten Händler und Dienstleister dieses Planeten versprechen uns dann Schnäppchen und „deals“, die wir nur an diesen wenigen Tagen erhalten werden. Wo es schwarze Wochen gibt, sollte es auch schwarz-gelbe Wochen geben. Und so erhofften sich die dynamischen Zeitgenossen offenbar bezüglich eines neuen Sportdirektors solch einen black-week-deal mit Nils Schmadtke, dem Chefscout des FC Bayern oder dem technischen Direktor des BVB – Sven Mislintat. Während ersterer von seinem Glück erst durch den Boulevardjournalismus erfuhr, hüllen sich die Informanten und Spekulanten über das begehrte Objekt Nummer Zwei weiterhin im Nebel der Rabattverhandlungen. Natürlich sind solche pfiffigen und gut vernetzten Späher begehrte Objekte, aber ob wir selbst mit besten Rabatten in dieser Preisklasse mithalten können, das ist wohl sehr fraglich. Einige Gerüchte-Magazine wurden wahrscheinlich von TEMU gesponsert und warfen mit ordentlichem Rabatt noch einen Sören Gonther ins Rennen um die Gunst der neuen Dynamo-Entscheider im Aufsichtsrat.
Letztere entschieden sich übrigens für Michael Ziegenbalg als ihren neuen Vorsitzenden, welcher Jens Heinig nach elf Jahren ununterbrochenem Vorsitz ablöst.
Wo geworben wird, geht es oftmals hart zur Sache. Kein Stilmittel ist zu billig, keine Kulisse zu pompös. Daß unser Stadionverwalter, die Stadion Dresden Projektgesellschaft, sowohl den heiligen Tempel als auch unser Logo und unsere Farben irgendwelchen kriminellen Gangster-Rappern und Influenzern als Kulisse, Projektionsfläche und cooles Marketingumfeld zur Verfügung stellt, geht dann aber eindeutig zu weit. So geschehen Mitte November, als in den sozialen Medien Poser-Fotos des libanesischen KMN Gang Boss Zuna und der neueste Videoclip der mutmaßlich drogendealenden Sprachakrobaten innerhalb der atmosphärischen Kulisse unseres einzigartigen Stadions mit unserem Wappen und Farben im Hintergrund auftauchten.
Zuna wer und KMN was? Ja, diese Frage dürfte sich die übergroße Mehrheit der Dynamo Anhänger gestellt haben. Handelt es sich doch um in Dresden ansässige sogenannte Gangster Rapper und ihr hochkriminelles Umfeld, welche seit gut zehn Jahren mit Schlagzeilen wie „Die Drogenbosse aus der Rapper-Gang“ oder „Ein Leben lang kriminell“ für sich werben lassen. Zentnerweise Drogen, Prügeleien, Messerattacken – oh welche Strahlkraft für Dynamo. Genau solche Werbeträger haben wir uns doch immer gewünscht. Unsere Fangemeinde gleicht zwar eher einer siegestaumelnden Schlager-, Walzer-, Humba- und Polkasportgemeinschaft, die sich so gern mehr Rock´n´ Roll wünscht, dafür jedoch eher mal einen Trauermarsch geblasen bekommt. Da kann man sich nur schwer vorstellen, daß es da auch ein Publikum geben könnte, welches sich einen multi-ethnischen Deutschrap aus Hauskellers Jukebox wünscht, nach dessen Takten man unseren Stürmern, würden die sich danach bewegen, dabei das Stollenset unter den Fußballtöppen erneuern könnte. Und dies mit ursächsischen Heimat-Texten wie:
„Rieche Geld, ja, mein Treppenhaus nach Kerosina, Bündel in der Tasche, doch im Kopf ist Iblis, Bring mir Doppel-C auf Straße, Akhi, weiß wie meine Sneaker, Brü, ich hab‘ vor keinem Respekt, Kanaken hier in Alemán machen Geld, sind elegant…“
So etwas in unserem heiligen Rudolf-Harbig-Stadion? Nee liebe Leute, das ist dann nicht nur den Boomern und Generation Xern zuviel, selbst die Millenials des K-Blocks widmeten zum Heimspiel gegen Düsseldorf dieser Blasphemie der Projektgesellschaft ein eigenes Banner und wir „Alten“ eine entsprechende öffentliche Protestnote per Feldpost an die Herren Tscherning und Hilbert. Hier sind gleich doppelt schwarz-gelbe Linien überschritten worden.
Aber wir wären nicht Dynamos, wenn es nicht doch ab und zu mal was etwas Positives gäbe. Es wurde von Ralf Minge zur MV beschworen und die Jungs haben es offenbar angenommen. Sieg in Bochum und endlich, endlich der erste Heimsieg der Saison in unserem heiligen Stadion. Zum ersten Advent runter von den Abstiegsplätzen. Da sind sie wieder, diese Glücksgefühle, dieses Abfallen von Anspannung, dieser befreiende Aufschrei nach all dem angestauten Frust und Trotz. Und das liebe Freunde ist es, was den Fußball und die Gemeinschaft so unglaublich macht. Gemeinsam durchlebte höchste Emotionen, das Fiebern bis zum Schlußpfiff. Die Nerven vielmal gespannter und trotzdem stabiler als die Bewehrung der Carolabrücke. Aber es ging leider auch etwas kaputt. Im Kampf um die Punkte wurde unser Keeper Grillo das Opfer unseres eigenen Rasens. Dank Konzerten, dem Kampf der Spike-bewehrten Rasenvertikulatoren (Entschuldigung für diese Metapher an die stolzen und kraftvollen Männer der Dresden Monarchs) und vielleicht auch den protzigen Luxuskarren der testosterongeschwängerten Gangster-Rapper, blieb vom Rasen nur noch die grüne Farbe übrig. Der Rest hatte eher die Konsistenz von Bauer Willis abgeerntetem Kartoffelacker. Zu viel für das Knie unseres Lennart Grill, dem wir alle Daumen für eine baldige Genesung drücken und hoffen, daß er bald wieder auf den Beinen und für uns zwischen den Pfosten der stolze Fels in der Brandung ist. Hart ist ebenfalls die verbale Entgleisung eines Einzelnen, der dadurch mitten in den Siegestaumel des Heimsieges eine Jaucheladung rassistischer Vorwürfe ausgelöst hatte. Dieser selbstvergessene, unverbesserliche Trottel hatte mitten in der Emotionalität der langen Nachspielzeit und der schweren Verletzung von Grillo offenbar unser seit einem Jahrzehnt gepredigtes Mantra „Love dynamo-hate rassism“ ignoriert. Dem Düsseldorfer Emmanuel Iyoha soll er Worte zugerufen haben, welche dieser Spieler vom Schiedsrichter als rassistische Beleidigung auf dem Spielberichtsbogen notiert haben wollte. Das ist sein gutes Recht, Teer und Federn über den selbstvergessenen beleidigenden Idioten, aber selbst 48 Stunden später sind die genau gefallenen Worte der Beleidigung weiterhin der Öffentlichkeit unbekannt. Erahnbar hingegen sollte eine bald folgende, demonstrative fünfstellige Strafe des Verbandes gegen uns sein. In den Medien tobt derweil der Kampf um die Meinungshoheit, inwiefern es zulässig ist, Grauzonen verbalen Rassismus öffentlich erörtern zu dürfen. Das sympathische, aber sportlich erfolglose und uns allen gut bekannte Plappermaul Markus Anfang, noch erfolglos in Diensten des unterlegen Spieltagsgegners vom Rheinufer, bekam als erster die Folgen eines vagen Relativierungsversuches zu spüren…
Freuen wir uns dann doch lieber auf noch drei spannende und hoffentlich auch erfolgreiche Spiele gegen Lautern, Braunschweig und Kiel und das alljährliche Weihnachtssingen, wenn es wieder klingt: „Stille Nacht…“ und „Oh Du Fröhliche…“
Bis dahin, allen eine schöne Adventszeit.