Es war einmal ein Fußballderby. Dies trug sich zu im Norden der Republik, wo die Kämpfer um das runde Leder des verarmten Stadtstaates Bremen gegen die Kicker des reichen Stadtstaates Hamburg antraten. Die verfeindeten Fangruppen sind dafür bekannt, sich in aller Militanz gegenseitig auf Mützen und Sturmhauben zu hauen, um zu zeigen, wer der Größte im ganzen nordischen Lande sei. Dies veranlasste die Bremer Landesfürsten tausende tapfere Ritter und Ordnungswächter anzuweisen, für Ordnung und die Sicherheit der Bürger des Landes im Rahmen dieser prestigeträchtigen Auseinandersetzung zu sorgen. Die hitzköpfigen Herren des gepflegten Krawalles beider Sportgemeinschaften lieferten sich ein paar Versteck- und Jagdspiele in der Stadt und am Rande der Sportkampfbahn. Nun jedoch verlangen die hinzugezogenen Ritter und Wächter Sold für ihre Dienste, was nicht einfach ist, da auch dieses einst reiche Land Bremen mittlerweile jeden Taler zweimal umdreht. Der Bremer Ministerius für öffentliche Ordnung und dessen Schatzmeister waren nun der Meinung, daß der Veranstalter solcher Wettkämpfe zur Aufbesserung der klammen Stadtstaatskasse finanziell herangezogen werden solle und verhängte eine Gebührenverfügung über 300.000 Taler. Der Veranstalter nennt sich Deutsche Fußball Liga und läßt wöchentlich ausgesuchte Söldnerschaften im sportlichen Wettstreit gegeneinander antreten. Und verdient viel Geld damit. Dies ist geschehen im Lenz des Jahres anno 2015…
Kurzum die DFL hat unter Protest und Vorbehalt diesen Gebührenbescheid wie auch weitere(!) der Stadt Bremen bezahlt und sich durch die Instanzen der Justiz bis hin zur Verfassungsbeschwerde geklagt.
Diese Beschwerde wurde neun Jahre und neun Monate nach dem ersten Gebührenbescheid des Bremer Innensenators nun vom Bundesverfassungsgericht beschieden. Die obersten Richter in den roten Roben gaben dem Stadtstaat Bremen recht, für Risikospiele der Profiligen unter Veranstalterschaft der DFL, Gebühren für den zusätzlichen Polizeieieinsatz in Rechnung zu stellen.
Verkürzt zusammengefaßt bedeutet dies, daß sich die Polizeibehörden in Stadt, Land und Bund von allen privaten Veranstaltern per Gebührenbescheid die Mehrkosten eines Polizeieinsatzes anläßlich ihrer Veranstaltung zurückholen können, sobald die Polizei-/Ordnungsbehörden ebenjene Veranstaltung als Risiko einschätzt. Belastbare und juristisch sauber definierte Kriterien existieren dafür nicht oder nur rudimentär.
Der Schutz der öffentlichen Ordnung, die Hauptaufgabe der Polizei als gesetzlich verankertes Abkommen zwischen Staat (im Landesrecht) und steuerzahlendem Bürger, wird damit teilweise von privater Co-Finanzierung abhängig gemacht, wenn Bürger ihre Grundrechte vor allem auf den Gebieten von Sport und Kultur ausüben wollen.
Zwei Sätze im Leiturteil vom 14. Januar 2025 sind besonders herauszustreichen:
„Die Verfassung kennt keinen allgemeinen Grundsatz, nach dem die polizeiliche Sicherheitsvorsorge durchgängig kostenfrei zur Verfügung gestellt werden muss. Sie ist keine allgemeine staatliche Tätigkeit, die zwingend ausschließlich aus dem Steueraufkommen zu finanzieren ist. Die Verfassung verlangt auch nicht, Polizeikosten nur Störerinnen und Störern oder solchen Personen aufzuerlegen, die nach den Vorschriften des Polizeigesetzes anstelle der Störerinnen und Störer in Anspruch genommen werden können oder die sich rechtswidrig verhalten.“
„Die individuell-konkrete Zurechenbarkeit kann insbesondere gegeben sein, wenn die öffentliche Leistung mit konkreten Vorteilen verbunden ist oder individuell veranlasst wurde, insbesondere bei einer das übliche Maß überschreitenden „Sondernutzung“ öffentlicher Sachen mit einer besonderen Inanspruchnahme begrenzter staatlicher Ressourcen.“
Das Bundesverfassungsgericht öffnet damit die Büchse der Pandora und erlaubt Kommunen und Ländern nach ihrem Gutdünken, Gebühren für Polizeieinsätze zu erheben, die zur Absicherung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit von kommerziellen Veranstaltungen dienen. Höhe und Kriterien dafür darf die Staatsgewalt dann selbst festlegen.
Egal ob regionale, nationale oder internationale Fußballspiele, Sportwettkämpfe mit großem Fanaufkommen, Festivals und Konzerte mit z.B. als „umstritten“ titulierten Künstlern oder auch Volksfeste mit mehr oder weniger kommerziellem Charakter. Dieser Richterspruch bedeutet letztendlich, daß Staat und Kommunen für die Genehmigung der Durchführung ein Schutzgeld erheben dürfen. Diese Kosten würden auf die Teilnehmer und Aussteller umgelegt werden müssen und unser Leben noch teurer machen. Ob Onkelz oder Roland Kaiser, Oktoberfest oder Striezelmarkt, eine Lesung mit Salman Rushdi oder Rosamunde Pilcher, Dynamo oder Sportfreunde Siegen. Die Ermessensfrage über das Schutzgeld obliegt dem Staat. Für uns als Dynamofans wäre aber eines absehbar, daß DFL/DFB uns für zusätzliche „Sicherheit“ mit erheblichen Kosten für sogenannte Risikospiele belasten würde. Bei den bereits genannten Summen im Fall Bremen wären dies für uns Zusatzkosten in Millionenhöhe. Denn nach Auffassung der sogenannten Verfassungsrichter um Stephan Harbarth wäre unser Verein ein „wirtschaftlicher Nutznießer“. Daß dies jedoch in gleichem Maße auch die Kommunen und Regionen sind, verdeutlichte kürzlich eine Studie aus Ulm, welche die Wertschöpfung allein durch den Aufstieg des durch relativ wenig durch Popularität auffallenden SSV Ulm 1846 in einer Studie darstellen ließ. Den immer klammer werdenden kommunalen Kassenwarten wird damit ein Instrument in die Hand gegeben, Veranstaltungsdurchführungen quasi mittels metaphorischer Schutzgelderpressung abhängig zu machen…