Sicher ist es einigen aufgefallen, daß bei den letzten Heimspielen zahlreiche Banner in den Blöcken hochgehalten wurden, welche die unmißverständliche Botschaft „Fanshop zurückholen“ transportierten. Der in dieser Thematik Außenstehende wird sich sicher fragen, was diese Forderung bedeutet und warum mit diesem immensen Nachdruck seit Wochen das Anliegen so öffentlich zelebriert wird.
Wir wollen versuchen, unseren Lesern, diese Thematik von Grund auf nahe zu bringen, um besser verstehen zu können, was sich da aktuell bei Dynamo und im wirtschaftlichen Umfeld tut. In drei Beiträgen möchten wir zuerst darlegen, wie sich der Fanshop seit den 90ern entwickelt hat. Und wie es dazu kam, daß der Fanshop nicht mehr in Vereinshand und die Beschlußlage im Verein dazu ist. Danach lassen wir jeweils die Argumente kontra und pro einer vollständigen Rückholung zurück in den Verein für sich sprechen. Dazu gibt es noch eine sehr persönliche Innenansicht zum Thema Fanshop.
Teil 1 – Aufbau und Notverkauf des Fanshops und aktuelle Beschlußlage im Verein.
Wir schreiben das Frühjahr 1995. Andy Möller legte seine legendäre Flugeinlage, bekannt als Möllers Schwalbe hin und holte am Saisonende mit dem BVB und Matthias Sammer den Meistertitel. Ulf Kirsten erringt mit Bayer Leverkusen den 7. Platz und unser Vereinstrauma namens Bayer Uerdingen läuft zum letzten Mal mit dieser Vereinsbezeichnung auf den Rasen. Und Dynamo verabschiedet sich dank sportlicher Talfahrt und Zwangsabstieg wegen Überschuldung für lange Zeit aus dem Profifußball. Das Rudolf Harbig Stadion versinkt nach dem 0:1 gegen die Bayern beim letzten ausverkauften Heimspiel in einem Meer aus Tränen von Wut und Trauer. Statt 30.000 im Juni 1995 zu Hause gegen die Bayern, 6 Wochen später vor 3.000 Zuschauern in Eisenhüttenstadt. Der sportliche Niedergang und die Flucht des Erfolgspublikums aus Bundesligazeiten schlugen sich natürlich auch auf den Verkauf von Fanartikeln nieder, welcher damals noch nicht Merchandising genannt wurde. Erst zwei, drei Jahre später begannen einige Enthusiasten im Verein, mit viel Engagement und teils eigenem Risiko, einen strukturierten Fanartikelverkauf neu zu etablieren.
Der Verkauf erfolgte Anfang der 2000er Jahre in der legendären „Baracke“ im alten Stadion. Dort teilte man sich Räumlichkeiten mit dem Fanprojekt, bevor dies auf die Löbtauer Straße zog. Etwa 2005 erhielt der Fanshop gleich rechts neben dem Eingang des Steinhauses sein neues Domizil, in der Zeit des Umbaus wurde aus dem Container heraus verkauft, teilweise reiste der Fanshop auch mit zu Auswärtsspielen und verkaufte aus dem Auto bzw. Anhänger heraus und ein Webshop wurde aufgebaut. Mit Inbetriebnahme des neuen Stadions zog dann der Fanshop in seine neuen großen Räumlichkeiten an der Ostfront des Stadion entlang der Lennéstraße, wo er heute noch seinen Sitz hat.
In der Ära nach Bernd Maas wurde durch den damaligen Geschäftsführer Stefan Bohne begonnen, die Finanzen zu konsolidieren, dazu gehörte leider auch der notwendige Verkauf bzw. die Ausgliederung des Fanshops, welcher durch seine Bestandsführung und Verpflichtungen in der Bilanz des Vereins zu einer möglichen jährlichen Gefährdung bei der Lizensierung führen konnte.
Im Überführungsvertrag von 2009 wurden neben der Merchandising Beteiligung und Partizipierung des Vereins an den Verkäufen auch Optionen für verschiedene Rückführungsszenarien mit dem Dienstleister egocentric GmbH vereinbart. Im Jahr 2014 stand das Thema erstmalig wieder auf der Tagesordnung der jährlichen Mitgliederversammlung, wo der damalige Geschäftsführer Robert Schäfer beauftragt wurde, einen Fahrplan mit Konditionen für die Rückholung zu erarbeiten. Im Folgejahr wurde auf dessen Grundlage ein Richtungsbeschluß für den Rückkauf bis 2020 gefasst. Durch die quasi wegen den straffen Coronamaßnahmen ausgefallenen Mitgliederversammlung(en) konnte der Fahrplan mangels ergänzender Beschlußlage nicht eingehalten werden. Im Jahr 2022 setzte die Mitgliedschaft jedoch neu an und beauftragte die Geschäftsführung, 50% der Anteile zurückzukaufen, was im Jahr 2023 auch geschah. Damit war der erste Schritt getan. Zur Mitgliederversammlung 2024 wird mit großer Wahrscheinlichkeit ein Beschlußantrag zur vollständigen Rückholung auf der Tagesordnung stehen.
Aktuell hat der Verein mit der jetzigen Beteiligung und Konstruktion gute und stabile Einnahmen, demgegenüber stehen der bekundete Wille zur vollständigen Rückholung und damit größere Einnahmemöglichkeiten, allerdings auch Risiken, sowie eine zur errichtende Struktur innerhalb des Vereins. Daraus resultiert das aktuelle Konfliktpotential zwischen den beiden Optionen. Zur kommenden MV kann also erstmal ein neuer Beschluß gefasst werden, welcher die Geschäftsführung beauftragt, alles in die Wege zu leiten, einschließlich einer dazu einzuberufenden AOMV, welche dann einen vollständigen Rückkauf formell beschließt. Die Argumente für die jeweiligen Positionen stellen wir in den kommenden Tagen vor der MV hier vor.
Als Abschluß möchten wir Euch, ohne unsererseits dazu Position zu beziehen, einen Kommentar der ehemaligen Fanshopmitarbeiterin Katja Bleschke nicht vorenthalten:
Inneneinsichten
„Die Ausgliederung des Fanshops war 2009 alternativlos. Da sind wir uns wohl alle einig. Die Investitionen, die mit dem Einzug in das nun fertig gestellte Stadion verbunden waren, konnte der Verein in diesem Moment nicht stemmen. So ging der Fanshop in fremde Hände; die bisherigen Angestellten wurden recht widerwillig per Betriebsübergang übernommen.
Die Älteren unter den Lesern werden sich erinnern, welche Entwicklung der Fanshop in den Jahren zuvor genommen hatte. Wir immer größer, schöner, erfolgreicher wurden. Mehrere Jahre hintereinander landeten wir im Sportbild-Test auf Platz 1 aller Erst- und Zweitligisten.
Es waren die Mitarbeiter, die den Fanshop über die Jahre aufgebaut und geprägt haben. Auch nach Außen hin. Ich war ein Teil von ihnen und bin noch heute stolz darauf. Nun also brach eine neue Zeit an. Wir waren nicht gewollt. Das wurde schnell immer deutlicher. Es wurden von Seiten der Fanshop-Leitung viele Fehler gemacht, doch wir alten Hasen mit jahrelanger Erfahrung wurden nur begrenzt einbezogen.
Das Konstrukt hinter dem Fanshop bestand und besteht meines Wissens noch heute u. a. aus Egocentric. Einer Firma, die selbst Textilien produziert und diese sowie weitere Fanartikel vertreibt. Was ich sagen will ist, Egocentric produziert Klamotten, verkauft sie an den Fanshop und verkauft sie dort nochmal. Clever – doppelter Gewinn. Logischerweise legte man so den Fokus auch auf diesen Bereich. In Konsequenz dessen hatten wir im Winter 25 verschiedene Sorten T-Shirts in jeweils zehn Größen auf Lager, aber kaum Schals, Handschuhe oder Mützen. Denn diese mußte man ja fremd einkaufen.
Im ersten Jahr wurde die Breite des Sortiments immer kleiner, die Qualität immer schlechter, die Preise beständig höher. Wieviel Umsatz ist uns in dieser Zeit durch verfehlte Einkaufspolitik verloren gegangen?
Für uns Mitarbeiter, die aus einem Jahrzehnt Erfahrungen profitierten, ein Kampf gegen Windmühlen, der ermüdete, desillusionierte, deprimierte und den wir nicht gewinnen konnten. Schließlich trennten sich die Wege. Wir gaben auf bzw. wurden zum Aufgeben gezwungen.
Noch heute pflege ich nach wie vor den Kontakt zu einigen Kollegen von damals und heute. Man sieht die Entwicklung, sieht die extrem hohe Mitarbeiterfluktuation bei Egocentric und dem Fanshop und muß nicht erst die Frage nach dem Warum stellen.
Ja, es ist für mich etwas Persönliches. Es ist eine Herzensangelegenheit. Es wird Zeit, daß sich was ändert.
Ja, es ist ein wirtschaftliches Risiko; Personal, Warenbestand, Mieten – das alles sind Kosten, die erwirtschaftet werden müssen. Aber die Lieferketten stehen! Kein Lieferant, der bisher gut an Dynamo verdient hat, wird morgen sagen; „Ich bin der Ego gegenüber loyal und verkaufe Euch nichts mehr.“ Das Personal ist da und wird wie seinerzeit wir wieder in den Verein übergehen. Und damit auch deren Erfahrung. Und ich bin mir sicher, der künftigen neuen Leitung des Shops wird es nicht minder an Erfahrung mangeln.
Ja, es wird vielleicht erstmal schwer. Vielleicht macht man auch erstmal eine gewisse Zeit Minus. Aber die wirtschaftliche Situation des Vereins wird perspektivisch nicht besser. Wenn wir den Fanshop nicht jetzt in die Familie zurückholen, wann dann?
Die Mitglieder haben die Wiedereingliederung vor Jahren beschlossen. Es wird Zeit, diesen Beschluß umzusetzen.
Wann, wenn nicht jetzt?! “